Alltagsdiskriminierung von deutschen Sinti und Roma – Beispiele und Daten

In Europa leben etwa 10-12 Millionen Sinti und Roma, die meisten von ihnen in Südosteuropa - sie stellen die größte europäische Minderheit. Rund 120.000 von ihnen - relativ wenig, in Frankreich leben z.B. fast dreimal so viel - sind, zumeist mit deutscher Staatsangehörigkeit, in Deutschland beheimatet. Sie sind seit 1995 neben Sorben, Friesen und Dänen als nationale Minderheit anerkannt.

Die Geschichte der Sinti und Roma ist eine Diskriminierungs- und Verfolgungsgeschichte. Spätestens seit dem 15. Jahrhundert, als ihre Vorfahren auf ihrer Wanderung Europa erreichten, hatten sie mit wenigen historischen Ausnahmen um ihr kulturelles und physisches Überleben zu kämpfen. In Europa wurden während der NS-Zeit unter Anwendung der Rassegesetze 500.000 von ihnen ermordet.

Besonders beunruhigend ist deshalb, dass Umfragedaten in der BRD seit Jahren sehr hohe Ablehnungswerte für Sinti und Roma zeigen, im Ranking ethnischer Gruppe nehmen sie den untersten Rang ein. Sinti und Roma werden nachweislich in zentralen Lebensbereichen wie Bildung, Beschäftigung, Wohnraum und Gesundheitsvorsorge benachteiligt und diskriminiert. Selbst wenn sich, wie eine neue Studie der Antidiskriminierungsstelle des Bundes zeigt, keine durchgängig feindseligen Haltungen mehr nachweisen lassen, sondern deutliche Ablehnung und ausgeprägte Gleichgültigkeit, gepaart mit geringem Wissen, nebeneinander bestehen, vor allem bei der jüngeren Generation, kann sich bei scheinbar geeigneten Anlässen und entsprechender medialer Aufbereitung unvermittelt und umso heftiger eine aggressiv geladene Stimmung manifestieren, die auch handlungsanleitend werden kann.

Die genannte Studie kommt zu folgendem Schluss:

"Sinti und Roma werden von einem beträchtlichen Teil der deutschen Mehrheitsbevölkerung nicht als gleichberechtigte Mitbürger und Mitbürgerinnen wahrgenommen. Unwissenheit und in Teilen offene Ablehnung prägen die Einstellungen gegenüber dieser seit Jahrhunderten in Europa lebenden Minderheit (…). Im Vergleich zu anderen Minderheiten wird ihnen die geringste Sympathie entgegengebracht, sie sind am wenigsten als Nachbarn und Nachbarinnen erwünscht und ihr Lebensstil wird als besonders abweichend eingeschätzt. Bei keiner anderen Gruppe zeigt sich ein so durchgängig deutliches Bild der Ablehnung.“ (Antidiskriminierungsstelle des Bundes (2014) (Hg.): Zwischen Gleichgültigkeit und Ablehnung. Bevölkerungseinstellungen gegenüber Sinti und Roma. Expertise für die Antidiskriminierungsstelle des Bundes, Zentrum für Antisemitismusforschung, Institut für Vorurteils- und Konfliktforschung e. V. Berlin, S. 1)

Der Verband Deutscher Sinti und Roma e.V., Landesverband Baden-Württemberg hat deshalb eine wissenschaftliche Studie in Auftrag gegeben, die diesen Sachverhalt in einigen Aspekten näher beleuchtet, um die Ergebnisse für die Antidiskriminierungsarbeit nutzen zu können. Mit der Durchführung dieses Vorhabens wurde das Institut für Antidiskriminierungs- und Diversityfragen (IAD) der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg beauftragt.

Im Rahmen einer wissenschaftlichen Untersuchung sollen sowohl konkrete Diskriminierungsvorfälle als auch Einstellungen, Stereotype und Vorurteile gegenüber den Deutschen Sinti und Roma aufgezeigt werden. Für die empirische Überprüfung unserer Hypothesen gehen wir nach vier methodischen Bausteinen vor. Um sowohl strukturelle Fragen als auch Einzelfallbefunde zu thematisieren, setzen wir auf eine Kombination von quantitativen und qualitativen Erhebungsmethoden. Dabei ziehen wir unterschiedliche Datenquellen heran (Daten-Triangulation) und kombinieren verschiedene Erhebungsmethoden miteinander (Methoden-Triangulation). Durch die Kombination dieser unterschiedlichen Instrumente entsteht ein „komplexes Informationsbild“; durch die unterschiedlichen Datenerhebungsmethoden lassen sich die empirischen Befunde mehrfach absichern; durch gegenseitige „cross-checks“ können Fehldeutungen minimiert werden. Im Rahmen einer mit dem Auftraggeber abgestimmten Kommunikationsstrategie werden die Forschungsergebnisse an unterschiedliche Zielgruppen aus Wissenschaft, Medien und Praxis kommuniziert.

Projektende: Dezember 2015