Interview zum Thema Promotion

Maria Rehm hat von 2017 bis 2022 im Rahmen einer kooperativen Einzelpromotion an der Pädagogischen Hochschule und der Evangelischen Hochschule Ludwigsburg promoviert. Sie ist die erste, die als Absolventin der Evangelischen Hochschule (ohne einen weiteren Studienabschluss an einer anderen Hochschule) promoviert hat und von einer Professorin der EH betreut wurde.

Maria Rehm

Biographischer Einstieg: Wie sind Sie zum Promovieren und zu Ihrem Thema gekommen?
Nach ersten Berufserfahrungen in der kirchlichen Jugendarbeit bin ich als akademische Mitarbeiterin und Lehrbeauftragte 2015 wieder an die Evangelische Hochschule gekommen. Gleichzeitig war ich in der Flüchtlingssozialarbeit tätig. Ich mochte diese Aufteilung zwischen Wissenschaft und Praxis. 

Das Thema Promotion begann dann schon in meinem Kopf herumzugeistern. Es hat mich gereizt, aber zugetraut habe ich mir das noch nicht so richtig. Ich kannte das Thema aus meinem privaten Umfeld überhaupt nicht. Meine Eltern hatten nicht studiert – das lag auch an dem System in der damaligen DDR – aber so waren meiner Geschwister und ich die ersten, die eine akademische Laufbahn wählten. Und das Promovieren – das war für mich irgendwie nochmal eine ganz andere Hausnummer. Aber dadurch, dass ich als akademische Mitarbeiterin immer mehr ins Forschen hineingewachsen bin, habe ich mir irgendwann zugetraut ein eigenes Forschungsprojekt durchzuführen. Dass ich dann die Promotion wirklich in Angriff genommen habe, liegt auch daran, dass mich viele Menschen immer wieder dazu ermutigt haben. 
Auf mein Thema bin ich über ein Forschungsprojekt, bei dem ich mitgearbeitet habe, gekommen. Es ging um Biografieforschung und die Analyse von

Personalentwicklungsprozessen im Pfarramt und im Diakonat. So kam ich das erste Mal mit qualitativer Biografieforschung in Kontakt und war von den Methoden begeistert. Ich fand es faszinierend, dass man mit Methoden der rekonstruktiven Sozialforschung herausarbeiten kann, wie Biografien und Konstruktionen des professionellen Handelns im Zusammenhang stehen. Als ausgebildete Religionslehrkraft kam ich dann auf die Idee, die Bedeutung der Biografien von Religionslehrkräften für ihr beruflichen Handeln zu erforschen. So kam ich zu meinem Thema. Die praktische und finanzielle Umsetzbarkeit des Projektes hat ein Stipendium ermöglicht. 2017 gab es ein Förderprogramm für AbsolventInnen von Hochschulen für angewandte Wissenschaften vom Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst in Baden-Württemberg. Ich warf meinen Hut mit in den Ring und als ich die Zusage für das Stipendium erhielt, war klar: „Jetzt promoviere ich“. 

Was genau war Ihr Thema, was ist das Spannende/Neue/Interessante, was hat Sie daran begeistert?
Kurz und knapp gesagt: Ich habe untersucht, wie die Biografie von Religionslehrkräften ihr berufliches Selbstverständnis und ihre Wahrnehmung und Deutung der religiösen Heterogenität der Schülerinnen und Schüler beeinflusst. 

Das Spannende war für mich, mithilfe von biografisch-narrativen Interviews und entsprechenden Analysemethoden ganz intensiv in die Lebensgeschichten von Religionslehrkräften einzusteigen und biografische Deutungsmuster zu rekonstruieren. Das ist eine aufwendige Forschung, aber sehr faszinierend. Ich habe dann z.B. ein Modell zu verschiedenen Zielfokussierungen der Lehrkräfte im Unterricht generiert und konnte zeigen, wie die verschiedenen Fokussierungen mit den biografischen Konstruktionen im Zusammenhang stehen.

Das Neue an meiner Forschung war vor allem mein Bezug zum Thema religiöse Heterogenität. Die Frage des Umgangs der Lehrkräfte mit zunehmender religiöser Heterogenität im Religionsunterricht ist ganz aktuell und wird in der Religionspädagogik kontrovers diskutiert. Einen biografischen Zugang zu diesem Thema gab es bislang noch nicht. Indem ich also aufzeigen konnte, wie sich biografische Konstruktionen ganz konkret in den beruflichen Handlungskonzepten der Lehrkräfte hierzu entfalten, konnte ich diese Forschungslücke ein Stück weit schließen. 

Was ist das Besondere, an der EH zu promovieren?
Zum einen habe ich die fachliche Betreuung im Promotionsprozess als wirklich exzellent und auf Augenhöhe erlebt. Claudia Schulz war meine Erstbetreuerin (die Zweitbetreuung war an der PH Ludwigsburg angesiedelt). Ich hatte das Gefühl, dass mir von ihr aller Freiraum gelassen wird, den ich für meine Forschung möchte und wenn es Probleme gab, konnte ich immer kommen und mir Rückmeldung holen. Außerdem hat sie mich ermutigt und an mich geglaubt, wenn ich mal einen Hänger hatte. Nicht zuletzt hat es super viel Spaß gemacht, gemeinsam zu fachsimpeln und immer Neues zu lernen.

Zum anderen war das Besondere für mich das gute kollegiale Miteinander an der EH. Als ich Forschungswerkstätten zur Auswertung der Interviews plante, waren zahlreiche Kolleginnen und Kollegen gern bereit, teilzunehmen. Das war total hilfreich für mich, weil ich verschiedene Perspektiven auf die Interviews bekam. Und darüber hinaus gab es viele Personen, z.B. KollegInnen auf demselben Flur oder auch Mitarbeitende in der Verwaltung, in der Bibliothek oder Hauswirtschaft, die an dem Prozess der Promotion immer wieder wohlwollend Anteil genommen und mich unterstützt haben. Dafür bin ich mega dankbar!

Was empfehlen Sie Personen im Rückblick, die gerne promovieren möchten? Was ist auf dem Weg zur Promotion wichtig?
Das Thema, worum es in der Promotion geht, sollte das Potenzial haben, über mehrere Jahre spannend zu sein. Dann finde ich es noch wichtig zu überlegen in welchem „Format“ man gern promovieren möchte. Ich fand es z.B. inhaltlich sehr gut für mich, dass ich parallel zur Promotion immer – und wenn auch nur mit geringem Prozentanteil – gearbeitet habe (in der Erwachsenenbildung und in anderen Forschungsprojekten). Das war für meinen Kopf super, auch mal andere Themen zu haben. Außerdem war für mich immer wichtig: Die Dissertation ist nicht mein einziger oder wichtigster Lebensinhalt. Oder anders ausgedrückt: Es gibt auch ein Leben neben der Promotion. 

Dann würde ich sagen: „Traut Euch – frau wächst mit ihren Aufgaben!“ Rückblickend ist der Weg faszinierend, den ich fachlich und persönlich zurückgelegt habe. Insgesamt eine tolle Erfahrung. 
Und zu guter Letzt: Vernetzung ist das A&O. Im Promotionsprozess gibt es auch einsame oder beschwerliche Strecken. Da ist ein Netzwerk von Personen, die auch Promovieren oder wissenschaftlich arbeiten und einen verstehen, Gold wert.