Was macht eigentlich Alumnus Gerald Bürkert?

„Wir helfen Menschen, die sonst verloren wären“

 

Gerald Bürkert, 45, ist seit vier Jahren Geschäftsführer der Aufbaugilde Heilbronn mit 430 Angestellten und 150 Ehrenamtlichen. Das diakonische Sozialunternehmen kümmert sich um 5000 Menschen in Stadt und Landkreis Heilbronn, die suchtkrank, arbeitslos oder obdachlos sind.

 

In den 2000er Jahren begann er sein Studium an der EH Ludwigsburg, schloss erfolgreich zwei Bachelorstudiengänge in Religionspädagogik, Diakoniewissenschaft und Sozialpädagogik und einen Masterstudiengang in Systemischer Organisationsentwicklung ab. Und das ist noch nicht alles. Hier können Sie das Interview lesen

Herr Bürkert, Hauptschulabschluss, Schreinerlehre, Abitur, Vordiplom Bauingenieurswesen in Würzburg, zwei Bachelor und ein Master an der EH und noch einen Master BWL in Stuttgart. Man könnte sagen, Sie sind ein wissbegieriger Mensch.
Die Schreinerlehre gehört zur Orientierungsphase. Später kam ich immer wieder an einen Punkt, an dem ich dachte, ich muss mehr verstehen, tiefer eindringen in die Themen. Ohne all diese Kenntnisse könnte ich heute nicht das tun, was ich mache. 

Was haben Sie mitgenommen aus den Jahren an der EH?
Viel Wissen, das mich im Alltag noch immer begleitet: Kommunikationstheorie, Psychoanalysen, Jugendthemen, kognitive und moralische Entwicklungsstufen. Hinzu kommt das diakonische Denken, das mich bis heute prägt. 

Sie sprechen von der exzellente Lehre an der Hochschule…
…und von der ganz besonderen Gemeinschaft. Studierende können sich einbringen. Es wird nicht nur über Demokratie geredet, sie wird auch gelebt: in Gremien, wie AStA, dem Kuratorium, in der theologischen Fachschaft. Das hat etwas mit Haltung zu tun. Die vielen Gespräche mit Professor*innen über Ethik, Theologie und Kultur haben mich begeistert. Das erlebte ich nicht an den Unis in Würzburg und Stuttgart. Es war eine unglaublich gute Zeit an der EH. Deshalb engagiere ich mich noch heute im Kuratorium der Hochschule. 

Was können Sie dort einbringen?
Ich bilde die Brücke in die Praxis und gestalte auf diese Weise mit. Die Diakonie gewinnt immer mehr an Bedeutung für die Gesellschaft, auch theologisch, weil der gelebte christliche Glaube gesehen wird. Die EH ist dafür eine wichtige Ausbildungsstätte mit ihrem theologischen und ethischen Profil. 

Auch die Aufbaugilde ist diakonisch, ihre Geschäftsbereiche reichen von Garten- und Landschaftspflege über Gebäudereinigung bis hin zu Haushaltsauflösungen.
Die Aufbaugilde hat die Mission, Menschen von der Straße weg in Wohnraum zu bringen und sie zu qualifizieren, so dass sie wieder zurück in die Arbeitswelt geführt werden können. Teilhabe findet nur dort statt, wo ich gesellschaftlich integriert bin, und das hat viel mit Arbeit zu tun. Unsere Angebote gehen von Wohnungsnotfall, Suchtkrankenhilfe, Arbeitslosen und Arbeitshilfen im Landschaftsbau über Gebäudereinigung und die Secondhandkaufhäuser bis rein in die Zeitarbeit und Bildung. Mit dieser Palette betreuen wir rund 5.000 Menschen in Stadt und Landkreis Heilbronn. Mit 430 Mitarbeitenden und 150 Ehrenamtlichen.

Wo liegen die Hürden?
Vieles verändert sich: Digitalisierung, KI, die Wirtschaft stellt sich effizienter auf. Wir haben Arbeitsplätze mit einfachen Tätigkeiten in der Industrie verloren, weil es sie nicht mehr gibt. Und wenn die Wirtschaft schwächelt, gibt es weniger Steuereinnahmen und wir müssen mit weniger Geld auskommen. Zugleich gibt es mehr bedürftige Menschen. Darum brauchen wir das Ehrenamt. 

Das klingt nach einer großen Aufgabe und viel Verantwortung. Wann beginnt Ihr Arbeitstag?
Er beginnt um 7:30 Uhr mit Telefonaten auf der halbstündigen Autofahrt ins Büro. Ich wohne mit meiner Frau und drei Kindern im Alter von zehn, zwölf und 14 im schönen Weinsberger Tal. Im Büro angekommen, reihen sich viele unterschiedliche Termine mit konzeptionellen, personellen oder wirtschaftlichen Themen aneinander. Ich versuche, gegen 18:30 Uhr zu Hause zu sein zum gemeinsamen Abendessen. Danach geht es oft weiter zu Abendterminen oder an den Schreibtisch, wenn nicht der Kirchengemeinderat, der Kirchenbezirksausschuss oder die Bezirkssynode anstehen. 

Als Schreiner hätten Sie geregeltere Arbeitszeiten gehabt…
Meine Arbeit ist vielseitig und macht sehr viel Freude. Zusammen mit den Kolleg*innen im Team helfen wir Menschen, die sonst verloren wären. Ich möchte gestalten und Verantwortung übernehmen.

Auch in schwierigen Zeiten? Die ersten zwei Jahre waren hart…
Wir mussten mehr als 300 Kolleg*innen entlassen und ganze Geschäftsbereiche schließen, wären sonst in eine wirtschaftliche Krise gekommen. Das ist nicht leicht. Alle Einrichtungen wie wir müssen sich neu aufstellen.

Wie finden Sie Ausgleich und können sich erholen?
Mit der Familie. Wir sind Camper und fahren gerne weg, egal, ob Sonne und See oder Kälte und Schnee. Das erdet uns als Familie auf so engem Raum. Ich bin auch leidenschaftlicher Motorradfahrer und trainiere, wenn Zeit ist, den Kampfsport Kung Fu. Außerdem spiele ich Gitarre, Akkordeon und singe in einer Band.  

Haben Sie Pläne für die Zukunft?
Ich möchte bald den Omnibusführerschein angehen und später mal mit jungen und alten Menschen unterwegs sein. Wir brauchen Gemeinschaftserlebnisse. Wenn Menschen aus unterschiedlichen Bereichen zusammenkommen, passiert Positives.