Zwischen Kindern, Kirche und Karriere – Kirche und Familien heute

Gefördert von Mitteln der Evangelischen Landeskirche in Württemberg untersucht ein Forschungsteam an der EH Ludwigsburg unter der Leitung von Prof. Dr. Johanna Possinger, welche Bedarfe Familien in unterschiedlichen Lebenslagen gegenüber kirchlichen Angeboten haben, wo Lücken und Zugangsbarrieren bestehen und wie die Erreichbarkeit vorhandener Angebote für bislang wenig erreichte Familien verbessert werden könnte.

Thematik, Fragestellung und Methoden

Die Evangelische Hochschule Ludwigsburg führte im Rahmen von "FAMILIEN STÄRKEN" die wissenschaftliche Studie "Familien gefragt" durch, um zu untersuchen, wie die Evangelische Landeskirche in Württemberg familienorientierter werden kann. Als zentrale religiöse Sozialisationsinstanz sind Familien von hoher Bedeutung für die Zukunft von Kirche. Mithilfe von qualitativen Methoden wurde erforscht, was Familien im Alltag brauchen, welches Verhältnis sie zur Kirche haben und wie Familienarbeit in Kirchengemeinden gut gelingen kann.

Im ersten Schritt wurden 40 württembergische Familien in unterschiedlichen Familienkonstellationen in Interviews befragt. Hierbei zeigt sich, wie sehr Familien unter Druck stehen. Der Alltag ist getaktet von Terminen, der Spagat zwischen Erwerbs- und Sorgearbeit wird als kräftezehrend erlebt. Hinzu kommen finanzielle Sorgen und Ängste. Besonders belastet sind Alleinerziehende, kinderreiche Familien sowie Familien, in denen ein oder mehrere Mitglieder eine gesundheitliche Beeinträchtigung haben. Als zentrale Bedarfe nennen Familien überwiegend einstimmig: mehr Zeit (für die Kinder, die Partnerschaft, die eigene Erholung), hochwertige Betreuungs- und Bildungsangebote für Kinder, eine bessere Vermeidung von Kinder- und Familienarmut sowie mehr Entlastung im Sozialraum. Bei all diesen Bedarfen wünscht sich die Mehrheit auch mehr Unterstützung seitens der evangelischen Landeskirche.

Die biografischen Erfahrungen der Befragten mit Kirche sind unterschiedlich. Deutlich wird zwar eine Nachdenklichkeit über Kirche aufgrund der Elternschaft, jedoch ist das Verhältnis bei den meisten auch ambivalent. So wird die Mitgliedschaft zur Kirche nur noch als eine Option unter vielen gesehen. Von Kirche fühlen sich Familien meist nicht wahrgenommen. Das Image von Kirche ist meist negativ ("verstaubt"). Berichtet wird auch von Diskriminierungen aufgrund der eigenen Lebensform. Kritik entzündet sich auch an Gottesdiensten. Gefragt, was sich Familien von Kirche wünschen, werden lebensdienliche Angebote mit praktischem Nutzen für den Alltag genannt, Weltoffenheit, politisches und soziales Engagement sowie mehr Interesse an Familien.  

Um herauszufinden, wie Kirchengemeinden erfolgreich in der Arbeit mit Familien sein können, wurden in einem zweiten Schritt 40 Haupt- und Ehrenamtliche in 15 familienaktiven Gemeinden befragt. Auch wenn die strukturellen Gegebenheiten in den Gemeinden unterschiedlich sind, so lassen sich gemeinsame Merkmale erkennen, die als Erfolgsfaktoren gewertet werden können. Dazu zählen lebensdienliche Angebote für Familien, eine Willkommenskultur für Familien in all ihrer Vielfalt, Kooperationen im Sozialraum sowie die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Ehrenamtlichen. Von Bedeutung sind zudem Begegnungsangebote mit gemeinsamen Mahlzeiten (z.B. auch nach Gottesdiensten). Im letzten Schritt werden mehrere, konkrete Impulse für Kirchengemeinden, aber auch Landes- und Bezirksebenen der Evangelischen Landeskirche in Württemberg gegeben, um Familien künftig mehr in den Mittelpunkt zu rücken.

Die Studie stößt seit ihrem Start auf großes Interesse der Öffentlichkeit auch über Württemberg hinaus. Neben Vorträgen für die EKD, andere Landeskirchen in Deutschland und der Schweiz sowie wissenschaftlichen Fachtagungen werden die Ergebnisse in 2023 auch auf dem Evangelischen Kirchentag in Nürnberg vorgestellt. Im Juli 2023 erscheint die Studie als Buch im Verlag Vandenhoeck & Ruprecht unter dem Titel "Familien gefragt - Impulse füe eine familienorientierte Kirche".

Laufzeit

Februar 2020  bis  Oktober 2022

Bilder

Projektbearbeitung

Prof. Dr. Johanna Possinger

Prof. Dr.
Johanna Possinger

Frauen- und Geschlechterfragen in der Sozialen Arbeit